71 Jahre nach dem 2. Weltkrieg – nach der Befreiung des KZ Auschwitz – Politik hautnah erfahren
Einleitung
Im Rahmen des Projektes „Schule ohne Rassismus-Schule mit Courage“ haben sich Schülerinnen, Schüler, Lehrkräfte und Schulsozialarbeit das Ziel gesetzt, mit zwei Gruppen, insgesamt 50 Teilnehmern, eine Bildungsfahrt zur KZ Gedenkstätte Auschwitz zu unternehmen.
Die beteiligten Schülerinnen und Schüler besuchen verschiedenste Bildungsgänge des Berufskollegs. Organisatorisch eine Herausforderung – pädagogisch ein Muss. Voraussetzung ist die Lust an der politischen Bildung und ein Engagement der Schülerinnen und Schüler. Das Interesse war überwältigend.
Wir stellen uns vor…
Gruppe 1:
Frau Essers, Herr Gniszewski, Herr Reh, Marius Rademacher, Jan-Dirk Willmann, Ralieesha Ravinthirarajah, Samantha Fake, Marcel Pasbrich, Florian Oeftger, Justin Schibilla, Muriel Friese, Sandy Noffc, Justin Peter, Peter Balje, Emanuel Pulina, Dustin Kotucha, Raoul Hermann, Nazar Khalil Khalil, Angelina Galita, Patryk Priestrynski, Tobias Seiliong, Alexander Rohman, Stzeven Trautz, Pham Tien Duc, Steven Boer
Gruppe 2:
Herr Kayser, Herr Adams, Christian Fritsch, Julian Brindöpke, Julian Roskamp, Lukas Sembach, Angelika Kopia, Sven Ciesler, Niklas Malinsky, Paul Gelissen, Robert Marx, Timo Budde, Lisa Jost, Robin Ahara, Karin Hoffmann, Shawn Gründgen, Fabian Krüger, Justin Wegner, Lars Dbratz, Jean-Loop Kastaun, Julian Schäfer, Clara Eckhart, Vera Andrick, Florian Renz, Tim Schmitt
Reisebericht aus der Sicht von Julian Schäfer
Unser Programm
Auschwitz – ein Bestandteil, des wohl grausamsten und traurigsten Abschnittes in der Geschichte der Menschheit. In der Schule ein oft behandeltes Thema, welches aber oft nicht ernst genommen wird. Ich hatte das Glück, an einer Bildungsfahrt teilzunehmen, die sowohl Spaß als auch Trauer vermittelt hat. Eine Fahrt zu jenem Bestandteil der Geschichte. Am Mittwoch, den 18.11.2015 fuhr ich mit 40 weiteren Schülern und Lehrern nach Polen, um mir ein Bild von der Geschichte Deutschlands zu machen.
Ehrlich gesagt, hatte ich das Thema eine Zeit lang, wo wir es beispielsweise in der Schule behandelt hatten auch nicht ernst genommen. Einfach weil mir der persönliche Bezug dazu fehlte und es einfach nicht intensiv genug unterrichtet wurde und es sich einfach wie jedes weitere Thema angefühlt hatte, aber das ist es nicht.
Auschwitz ist nicht einfach ein Thema, mit welchem man sich ein paar Wochen befasst und es danach vergisst.
Auschwitz wird niemals vergessen werden, Auschwitz ist Geschichte und meiner Meinung nach sollte man die Möglichkeit ergreifen, wenn man sie hat, eine Bildungsfahrt nach Auschwitz zu machen, um eben solch einen persönlichen Bezug zu der Geschichte herzustellen.
Man sieht es oft, dass Auschwitz und die zugehörige Thematik belächelt wird oder, dass man Witze darüber reißt… aber sobald man einmal dort war, vergeht einem regelrecht das Lachen.
Am Tag unserer Ankunft am 19.11.2015 zogen wir erst in ein Hostel in Krakau. In’s Mundo Hostel. Ich war Teil der „Roten Benzel“-Truppe unter der Aufsicht von Herrn Kayser und Herrn Adams.
Die Tage in Krakau waren im Vergleich zu Auschwitz ein regelrechter Zuckerschlecken. In den 2 Tagen Aufenthalt haben wir an einer Museumsführung über Schindlers Fabrik und die Besatzerzeit Nazideutschlands teilgenommen und wurden am folgenden Tag durch Krakau geführt.
Beides habe ich positiv in Erinnerung gehabt, aber so wirklich fühlen konnte ich da nicht viel, da Schindlers Fabrik nicht mehr erhalten war und es quasi einer normalen Museums- bzw. Stadtführung glich – mit einem dennoch interessanten Thema bzw. einer interessanten Stadt.
Am Samstag, 21.11.2015 derselben Woche fuhren wir dann los nach Auschwitz. Bei der Ankunft fuhren wir in eine Art Jugendherberge und bezogen dort auch unsere Zimmer.
Gegen Nachmittag ging es auch weiter mit dem Programm. Workshops standen dieses Mal an. Es ging in den Workshops um Personen, Schicksale, Überlebensgeschichten – Zeugnis von Kazimierz Smolen und „Um menschliche Werte in einer unmenschlichen Welt“.
Im Großen und Ganzen haben mir die Workshops Spaß gemacht, weil sie interessant waren und durch die Gruppenarbeit sowohl in meiner Gruppe als auch mit der Gruppe Frau Essers für massig Diskussionen, auch interessante Diskussionen über Glaubensfragen etc. gesorgt wurde. Am darauf folgenden Tag ging es los mit den Führungen durch die Lager.
Birkenau I
Am Sonntag war das Stammlager Birkenau I dran. Wir fuhren morgens los und kamen früh an, denn um 9.00 Uhr ging die Führung bereits los.
Alle bekamen für die Führung ein Kopfhörer und ein Gerät zum bestimmen des Kanals, damit man die, in unserem Fall, Führerin besser verstehen konnte. Bereits bei der Ankunft herrschte eine drückende Atmosphäre. Das Stammlager war komplett mit Nebel eingehüllt. Die Atmosphäre war bereits zu Beginn extrem intensiv – wahrscheinlich durch den Nebel.
Wir begannen unsere Führungen und ich bekam vieles zu sehen.
Vieles, was mich bewegt hat, dass Eine mehr, das Andere weniger. Tonnen von Haaren, tausende Schuhe, Koffer, Geschirr, alles Mögliche wurde uns gezeigt – begleitet von der Stimme der Führerin, der man ohne Absetzen der Kopfhörer nicht entgehen konnte. Man war direkt mit der Geschichte konfrontiert worden.
Man hat es einigen angesehen, dass jeder unterschiedlich auf das Gesehene reagiert hat. Manche konnten noch Lachen, andere wiederum waren komplett in sich gekehrt. Ich befand mich irgendwo dazwischen. Ich konnte nicht lachen, mir war absolut nicht zu Lachen zumute, aber ich war auch nicht komplett in mich gekehrt. Ich wusste erst nicht, wie ich mit der direkten Konfrontation und dieser intensiven Atmosphäre umgehen sollte.
Am meisten bewegt, beziehungsweise am meisten gefühlt hatte ich bei den Bildern der abgemagerten Menschen, die kaum noch mehr gewogen haben als ein Grundschulkind vielleicht.
Als ich jene gesehen habe, schossen mir schon leichte Tränen in die Augen. Die Führung durch Birkenau I war krass. Krass von der Stimmung unserer Schüler her und von den Umständen, die man sehen konnte. Die Führung hat eindeutig Spuren hinterlassen, am gesamten restlichen Tag war ich ziemlich nachdenklich über die Geschichte und über Geschehenes.
Bei der Ankunft in der Jugendherberge gab es eine Reflexionsrunde, in der wir unsere Gedanken geteilt haben. Es gab viele verschiedene Meinungen, meine habe ich zu dem Zeitpunkt noch nicht geäußert, weil ich sie erstmal für mich behalten, mehr in mich gehen wollte und es nicht mag vor solch einer großen Runde zu reden.
Der Sonntag, 22.11.2015 danach beinhaltete die Führung durch Birkenau II – dem Vernichtungslager.
Zusammenfassend fand ich Birkenau I von der Atmosphäre viel bedrückender, allein durch die Wetterbedingungen, welche denke ich, ausschlaggebend für die Atmosphäre und Stimmung waren.
Birkenau II
Es war ein relativ sonniger Tag, aber dennoch kalt. Man sah überall Baracken. Egal wo man hinschaute, man sah überall Baracken.
Das Lager sah, selbst auf dem Wachturm, gigantisch aus. Regelrecht unüberschaubar, man sah kein Ende und dennoch, war es nicht dasselbe Erlebnis wie Birkenau I.
Im Vernichtungslager war die Stimme der Führerin nicht mehr so präsent. Es fehlten die Kopfhörer und dadurch fühlte ich mich durch die Thematik nicht so konfrontiert. Das Thema habe ich durch die eigene Vorstellungskraft gespiegelt.
Teilweise war ich ziemlich nachdenklich, weil ich an manchen Stellen meine Vorstellungskraft hab spielen lassen, beispielsweise einfach in einer Baracke stand oder generell auf dem Boden in Birkenau II, wo man genau weiß, dass genau an dem Ort, wo man sich gerade befindet, abertausende Menschen getötet wurden. Nicht nur da, auch in Birkenau I. Dennoch hielt es sich in Grenzen.
Wie am Tag davor, gab es eine Reflexionsrunde, wo wir die Gruppe etwas verkleinert haben, um Chancen zu geben, Andere, wie mich, die nicht vor großen Runden sprechen wollen, auch zu Wort kommen zu lassen. Meine Gruppe bestand dann aus ca. 6 Leuten und da fiel es mir deutlich leichter meine Erfahrungen bzw. meine Meinung zu teilen.
Am Abend war es aber schon wieder soweit und es hieß Abschied von Auschwitz zu nehmen und sich von der Geschichte – in dem Sinne – zu trennen.
Ich muss sagen, meine Erwartungen an die Fahrt, wurden übertroffen. Emotional wurde ich teilweise ziemlich angegriffen, aber es hielt sich im Rahmen und der Spaß im Hostel bzw. der Jugendherberge war trotzdem gegeben.
Ich war froh, die Chance ergriffen zu haben, ein Teil der deutschen Geschichte hautnah erleben zu dürfen, da ich schon immer mal gesagt habe, dass wenn ich diese Chance kriege, sie auch nutzen werde.
Leider musste ich teilweise mit ansehen, wie respektlos einige sich gegenüber der Geschichte verhalten haben, bspw. durch Vermüllung der Gedenkstätten, durch Mentalität und Verhalten den Opfern gegenüber und und und, aber abschließend muss ich sagen, dass das die beste Klassen-/Bildungsfahrt war, an der ich bisher teilgenommen habe und möchte mich hiermit bei allen Lehrern bedanken, die diese Fahrt auf die Beine gestellt haben.
Julian Schäfer
Kinder und Jugendliche in Auschwitz – Eindrücke
Der Kamin
von Ruth Klüger, Jüdin und Holocaust Überlebende 1944
Täglich hinter den Baracken
Seh ich Rauch und Feuer stehn.
Jude, beuge deinen Nacken,
Keiner hier kann dem entgehn.
Siehst du in dem Rauche nicht
Ein verzerrtes Angesicht?
Ruft es nicht voll Spott und Hohn:
Fünf Millionen berg‘ ich schon!
Auschwitz liegt in meiner Hand,
Alles, alles wird verbrannt.
Täglich hinterm Stacheldraht
Steigt die Sonne purpurn auf,
Doch ihr Licht wirkt öd und fad,
Bricht die andre Flamme auf.
Denn das warme Lebenslicht
Gilt in Auschwitz längst schon nicht.
Blick zur roten Flamme hin:
Einzig wahr ist der Kamin.
Auschwitz liegt in seiner Hand,
Alles, alles wird verbrannt.
Mancher lebte einst voll Grauen
Vor der drohenden Gefahr.
Heut‘ kann er gelassen schauen,
Bietet ruh’g sein Leben dar.
Jeder ist zermürbt von Leiden,
Keine Schönheit, keine Freuden,
Leben, Sonne, sie sind hin,
Und es lodert der Kamin.
Auschwitz liegt in seiner Hand,
Alles, alles wird verbrannt.
Hört ihr Ächzen nicht und Stöhnen,
Wie von einem, der verschied?
Und dazwischen bittres Höhnen,
Des Kamines schaurig Lied:
Keiner ist mir noch entronnen,
Keinen, keine werd ich schonen.
Und die mich gebaut als Grab
Schling ich selbst zuletzt hinab.
Auschwitz liegt in meiner Hand,
Alles, alles wird verbrannt.
Magdar wurde als 17-Jährige nach Auschwitz deportiert
„Ich musste in Auschwitz-Birkenau bleiben und arbeiten. Manchmal befahlen die Nazis, dass wir Steine von einer Seite auf die andere räumen sollten – total sinnlos. Leichen mussten wir einsammeln und deren Asche umherkarren und in einem Teich versenken. Ich sah Leichen, die angezündet wurden. Der Gestank von verbranntem Fleisch war unerträglich. Wir wurden gedemütigt und mit Peitschen geschlagen. Die Nazis haben mit uns gemacht, was ihnen in den Sinn kam. Ziel war, dass wir schnellstmöglich draufgingen. Das übersteigt jegliche Vorstellungskraft. Wir waren bereit zu sterben. Ich hatte akzeptiert, dass es so sein sollte. Der Tod war Realität, genau wie der Hass und die Angst.“
Magdar Hollander-Hafon
Süddeutsche Zeitung, 26.01.2015